● (32) Finnische Malerei

Lichbildervortrag von Ingeborg Keil

30.11.2017

 

 Finnische Malerei ist in Deutschland nahezu unbekannt. Die ersten Spuren finden sich in Mittelfinnland als ca. 7000 Jahre alte Felsenmalereien. Es gibt auch noch etliche Zeugnisse aus dem Mittelalter. Leider sind aber sehr viele ausgemalte Holzkirchen abgebrannt. Erst seit der Renaissance und dem Barock haben sich durchgehend Malereien erhalten.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt die Kunstepoche, die später das „Goldene Zeitalter finnischer Kunst“ genannt wird. Dazu trug auch die Sammlung von
Kunstwerken bei, die später im Ateneum in Helsinki ausgestellt und jährlich ergänzt wurde, entweder durch Schenkungen oder durch Ankauf.

Die erste Frau, die hervorragend malte und über die Grenzen Finnlands bekannt wurde, war Fanny Churberg (1845-1892). Schon früh Waise, hatte sie dennoch finanziell keine wesentlichen Probleme, denn ein gutes Erbe sorgte für sie und ihre Geschwister. Sie lernte in Düsseldorf, das damals ziemlich die einzige Möglichkeit für Frauen bot, Kunst zu studieren, wenngleich sie nicht an öffentlichen Anstalten zugelassen waren. Ihr war es wichtig, das Nationalgefühl der Finnen herauszustellen, deshalb malte sie hauptsächlich finnische Landschaften, die auch heute noch bewundernswert sind. Ein paar Beispiele: Landschaft in der Gegend von Viipuri bei einem nahenden Gewitter, Wasserfall, Mondschein, einige Winterlandschaften und auch ein Selbstbildnis. Fanny Churberg gewann mehrere wichtige Preise in Finnland. Trotzdem hatte sie auch Probleme mit den damaligen Kunstkritikern, die mit ihrem fortschrittlichen Malstil nicht immer etwas anfangen konnten. In späteren Jahren widmete sie sich einem anderen Kunstgebiet, der Textilarbeit. Sie gründete einen Verein der Handarbeitsfreunde und leistete damit einen großen Beitrag zu diesem sehr wichtigen Gebiet finnischer Kultur.

 

 Albert Edelfelt (1854-1905) stammte aus einer Familie, die sich künstlerisch betätigte. Er wurde früh Halbwaise, weil der Vater starb, konnte aber die bereits begonnen Kunststunden fortsetzen und konzentrierte sich nach philologischen Studien an der Universität Helsinki sehr bald nur noch auf die Kunst. Wie auch andere namhafte finnische Maler und Malerinnen hatte er bei Adolf von Becker bereits eine gute Grundausbildung erhalten. In Antwerpen und Paris vervollkommnete er sich und machte sehr bald die Historienmalerei zu seinem Hauptgebiet. Wichtige Werke sind: Königin Blanka, Fürst Karl schmäht den Leichnam von Klaus Flemming. Später malt er sehr viele Porträts und beginnt auch einen neuen Stil, denn die Farbgebung im Atelier scheint ihm nicht immer gut, so malt er fortan nur noch im Freien, um das Licht und die Luft besser einfangen zu können. Werke aus dieser Zeit sind: Der Leichenzug eines Kindes, Gottesdienst auf den Schären von Uusimaa, Samstagabend auf Hamari, Am Meer, Alte Frauen von Ruokolahti auf dem Kirchberg u.a. Die Porträts werden nicht idealisiert, man kann die Personen als Individuen ausmachen. Mit dem Porträt von Louis Pasteur gelang ihm der Durchbruch. Er bekam nicht nur viele finnische und internationale Preise, sondern gehörte sogar zur Jury bei der Societé Nationale des Beaux Arts in Paris, wo er u.a. den Ritterorden bekam. Er durfte sogar vom russischen Zaren Porträts anfertigen. Auch er hatte oft Schwierigkeiten mit den Kritikern, aber ohne ihn wäre die Kunst Finnlands nicht so bekannt im übrigen Europa geworden. Er malte auch ein Porträt der karelischen Runensängerin Larin Paraske, die 32.000 Verse finnischer Volksdichtung rezitieren konnte und so auch sehr viel zur finnischen Kunst beigetragen hat. Seine bedeutendste Aufgabe war es, die Geschichten des Fähnrich Stool von Johann Ludwig Runeberg (1804-1877), dem finnischen Nationaldichter, zu illustrieren, ein Buch, das ihn schon als Kind fasziniert hatte.
Als er 51jährig starb, gestalteten sich die Beisetzungsfeierlichkeiten zu einer nationalen Trauerfeier.


Akseli Gallen-Kallela (1865-1931) wurde als Axel Waldemar Gallén geboren und nahm erst später den finnisierten Namen an. Auch Gallen-Kallela war früh Halbwaise. Auch er lernte früh bei Adolf von Becker, der offensichtlich die Talente junger Menschen gut erkannte. Er studiert auch wie viele andere seiner Zeit in Paris. Zunächst malte er im Stil des Realismus und des Naturalismus (Der Junge und die Krähe, Verwester Zander), aber sehr bald gilt dem finnischen Nationalepos Kalevala sein Hauptaugenmerk. Er malt die Geschichte der Aino, um die der greise Sänger Väinämöinen freit und die es aber vorzieht zu den Jungfrauen des Vallamo ins Wasser zu gehen, als sich dem alten Mann zu ergeben. Er malt die Erschaffung des Sampo, dieses zaubermächtigen mühlenähnlichen Gebildes, das demjenigen, der es besitzt, Reichtum gibt. Dieser Sampo ist bei der Nordlandherrscherin Louhi und er wird ihr geraubt. Auch das malt Gallen-Kallela. Für seine Malereien, die teilweise wie ein Fenster in die Vergangenheit wirken, lässt er sich z.B. eine Schmiede bauen, in der „Sklaven“, ganz in Loden gekleidet, den Blasbalg betätigen und schmieden. So kann er die Farbgebung genau übernehmen und die Licht- und Schattenspiele. Weitere Werke aus dem Kalevala sind Lemminkäinens Mutter, Kullervos Fluch. Es verwundert nicht, dass derartige Werke in Paris nicht unbedingt auf Resonanz stießen, denn ohne die Geschichte zu kennen, sind sie nicht gerade aussagekräftig. Wichtig für ihn war es, die finnische Nationalität darzustellen. Auch er gewann viele Preise, war international anerkannt (z.B. bestellten die Uffizien ein Selbstbildnis von ihm). Auch im Land wurden ihm große Ehren zuteil, er wurde beauftragt, für die finnische Soldaten- und Repräsentationskultur alles Mögliche zu entwerfen. Später lebte er ein Zeit in Amerika. 1931 starb er an einer Lungenentzündung in Stockholm.

 

Das finnische Wunderkind der Malerei war Helene Schjerfbeck (1862-1946), die bereits als Kind wunderschön zeichnen konnte und etliche Jahre früher, als es üblich war, an der Zeichenschule angenommen wurde, weil Adolf von Becker ihr Talent erkannte. Nach einem Unfall hatte sie ein Leben lang mit einer Behinderung zu tun, die sie aber vielleicht noch sensibler hatte werden lassen allem Kindlichen Leid gegenüber. Auch sie war sehr früh Halbwaise geworden. Als Frau musste sie um ihre Anerkennung schwer kämpfen, denn die Kritiker waren zu einem großen Teil der Meinung, dass Frauen nicht wirklich Künstlerinnen sein konnten und beurteilten die Bilder entsprechen boshaft. Die eigene Mutter lehnte ihre „brotlose Kunst“ auch ab und war der Meinung, Waschen, Kochen und Aufräumen seien wichtiger. Dennoch konnte sie in Paris, in der Bretagne und in Cornwall studieren und malen. Ihr waren die Heldenmalereien nicht wichtig, sie malte die Menschen ohne Beschönigung, aber mit einer gewissen Hingabe. Der verwundete Soldat im Schnee, Die Genesende, Der Junge, der seine kleine Schwester füttert sind anrührende Bilder, weil sie mit großer Menschlichkeit zu uns sprechen. Landschaften aus der Bretagne, Bilder, die das tägliche Leben der Menschen zeigen und auch ihre Selbstbildnisse, die, je älter sie wird, desto schonungsloser den menschlichen Verfall darstellen, wurden von einem Kunsthändler, Gösta Stenman angekauft. So hatte sie ein einigermaßen regelmäßiges Einkommen, obwohl es ihr finanziell nie besonders gut ging. Bis ins hohe Alter malte sie, war Neuem gegenüber aufgeschlossen, und starb, nachdem ihr die beiden Weltkriege vor allem gesundheitlich ziemlich zugesetzt hatten, in Schweden, wo sie ihre letzten Lebensjahre zugebracht hatte.
1996 wurde ihr als erster Finnin eine Gedenkmünze gewidmet und ihre Werke erzielen heute bei internationalen Auktionen höhere Preise als alle anderen finnischen Kunstwerke.
Barbara Beuys hat eine Biographie über sie geschrieben, die lesenswert ist.

                                                                                      Ingeborg Keil