● (25) Das Leben und Wirken von Jean Sibelius (1865 - 1957)

28.5.2015

Anlässlich eines Deutsch-Finnischen Treffs stellte Ingeborg Keil das Leben und Wirken des bedeutenden Komponisten Jean Sibelius vor. Ihr Vortrag wurde mit Musikbeispielen unterlegt.

Der Geburtstag des finnischen Komponisten Jean Sibelius jährt sich dieses Jahr zum 150ten Mal. Jean, der als Johan Christian Julius am 8.12.1865 geboren wurde, als Kind Janne genannt wurde und sich später Jean nannte, stammte aus einer bäuerlichen Familie. Sein Vater war Arzt und der erste, der nicht mehr Bauer war. Janne wurde schon als Zweijähriger Halbwaise, denn der Vater starb bei einer Typhusepidemie. Sehr früh begann er auf dem Klavier zu spielen und mit acht oder neun Jahren komponierte er ein reizendes Stück „Vattendroppar“ „Wassertropfen“ für Klavier und Cello.

Er wuchs in sehr ärmlichen Verhältnissen auf, denn der Vater hatte viele Schulden hinterlassen. Zum Glück gab es Großeltern und Verwandte, die der jungen Familie mit drei Kleinkindern unter die Arme greifen konnte. Zuhause wurde Schwedisch gesprochen, aber als Janne auf das finnische Gymnasium gehen sollte, musste er Finnisch lernen. Er beherrschte beide Sprachen seht gut und lernte später auch noch sehr gut Deutsch, als er in Deutschland und Österreich Musik studierte. Während der Schulzeit verzweifelten seine Lehrer oft an dem Knaben, der sich mehr mit Musik und Naturbetrachtungen beschäftigte als mit Hausaufgaben und Lernstoff.

Schon als Jugendlicher komponierte er regelmäßig kleinere Stücke, die dann mit seinen Trio- oder Quartettkollegen gespielt wurden. Sein deutscher Lehrer an der Universität in Berlin war ebenso wenig von dem „chaotischen“ Jungkomponisten begeistert wie dieser von seinem pedantischen Lehrer, denn er fühlte sich von ihm in seiner Kreativität gehindert.

1888 lernte er die 17jährige Aino Järnefelt kennen. Es scheint Liebe auf den ersten Blick bei beiden gewesen zu sein. Aino, eine nicht nur wunderschöne junge Frau, sondern hochintelligent, musikalisch und auch praktisch begabt, begleitete ihn all seine Jahre bis zu seinem Tod. Sie hatten sechs Töchter, von denen eine im Kindesalter an Typhus starb, deren Enkel sich jetzt ganz intensiv mit den Urgroßeltern beschäftigen.

Aino ertrug die Laster und Schwächen ihres Gatten, sie war ihm eine treue Begleiterin und Kritikerin und sie verstand es, Jean in seinem ewig wechselnden Stimmungen aufzufangen.

Sibelius machte etliche Krankheiten durch, u.a. Kehlkopfkrebs, der aber zum Glück geheilt werden konnte.

Sibelius wurde in Finnland sehr bald als eine Art Nationalheld verehrt, denn er komponierte auch während der politisch sehr wirren Zeiten Stücke, mit denen sich das finnische Volk identifizieren konnte. Bekannt ist bei uns vor allem seine „Finlandia“ und auch der „Jägermarsch“, den er für die 2000 jungen Männer, die sich in Deutschland ausbilden ließen, um gegen die Russifizierung des Landes kämpfen zu können, komponierte. Er schrieb sieben Symphonien und viele Stücke für Chor und Orchester, darunter auch viel geistliche Musik. Sein Violinkonzert, bei dem er sich seinen vergeblichen Traum, ein Violinvirtuose zu werden, irgendwie wahr machen konnte, musste er nochmals umschreiben, weil es für die Geiger zu schwer war. Erst Jascha Heifetz spielte es viel später. Die ursprüngliche Fassung, die sehr viel Können vom Interpreten fordert, ist viel gehaltvoller, als die vereinfachte Form. Die kann man ab und zu bei uns hören.

Das Leben der Familie Sibelius war bis fast zum Schluss gekennzeichnet durch ewigen finanziellen Mangel, den sie trotz einer staatlichen Pension nie ganz in den Griff bekam, was auch am ausschweifenden Lebenswandel von Sibelius lag. Tourneen durch Europa machten ihn vor allem in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern bekannt und beliebt, während er im deutschsprachigen Raum und in Frankreich auf geringes Interesse stieß. Das hat sich bis heute so erhalten.

Das finnische Nationalepos, das Kalevala, war für ihn auch ein Quell von Ideen zu seiner Musik. Kullervo, eine tragische Gestalt, stellte er ebenso dar, wie den Leichtfuß Lemminkäinen, der im schwarzen Fluss des Totenreiches zerstückelt landet und dessen Mutter es schließlich gelingt, den Sohn wieder zusammenzusetzen und erneut zum Leben zu erwecken. Sibelius schrieb keine Programmmusik, vielmehr bezeichnete er sich selbst eher als Tonmaler und Tondichter.

Im Jahr 1904 bezog die Familie ihr eigenes, sehr bescheidenes und für heutige Verhältnisse sehr wenig komfortables Heim in Tuusula, das damals unberührte Natur war, heute als Museum in der Nähe des Helsinkier Flughafens liegt. Als Sibelius, der zwei Weltkriege miterlebte, die die Familie in teilweise unvorstellbar schweren Umständen überstand, am 20.9.1957 im Alter von fast 93 Jahren stirbt, wird ihm nicht nur ein Staatsbegräbnis zuteil, sondern Tausende Menschen begleiten ihn auf seinem letzten Weg.

Er hat miterlebt, dass seine Konzerte erstmals im Radio übertragen wurden. Anlässlich seines 70.Geburtstags überraschte man ihn mit einer Direktübertragung eines Konzertes aus New York mit seinen Stücken. Das einzige, von ihm dirigierte Konzert, das uns erhalten ist, stammt vom Neujahrskonzert im Radio von 1938. Insgesamt hat er uns – obwohl er in den 40er Jahren einen Waschkorb voll Manuskripte verbrannte – ca. 800 Stunden Musik hinterlassen. Anlässlich seines Geburtstages wurde eine Gesamtausgabe eingespielt.

                                                                                                                                                 Ingeborg Keil