Leonie Herold
3. Preis - Kategorie: Jugendliche
Gummistiefelweg
Es ist noch früh am Morgen und Lisa, ein kleines, rothaariges und mit Sommersprossen übersätes Mädchen, schleicht sich leise in ihren alten Gummistiefeln aus dem Haus. Sie marschiert durch die nasse Wiese ihres großen Gartens, macht die kleine Tür eines Stalles auf und lässt Wuschel, ihren Hasen, heraus. Hastig schmeißt sie eine Karotte in seinen Futtertrog, streichelt ihn kurz und verabschiedet sich schweren Herzens von ihm. Sie will von zu Hause abhauen. ihre Eltern streiten sich, die Noten in der Schule waren auch schon mal besser und Lisa möchte, dass etwas Spannendes in ihrem Leben passiert.
Mutig stapft die kleine Abenteurerin über das Feld hinter dem alten Schuppen im Garten. Auf dem Acker wuchern überall Pflanzen mit spitzen Dornen und Lisa holt sich einen leichten Schnitt im linken Oberschenkel. Vor Schmerz zieht sie kurz eine Grimasse und schaut auf die blutende Wunde über dem Rand ihres Gummistiefels. „Nur ein Kratzer', denkt sie sich und läuft weiter. Die Sonne Ist noch nicht aufgegangen, wodurch es noch relativ duster draußen ist. Sie hat Angst und das auch berechtigt, denn vor ihr erkennt sie zwei, ihr fremde, Männer, doch Lisa nimmt sie gar nicht wahr. Ein bisschen traurig, über die Tatsache, dass niemand bei ihr ist, läuft sie tapfer in den schlabbrigen Stiefeln weiter, obwohl sie schon ziemlich lange unterwegs ist. Bei dem Gefühl, dass sie jemand beobachtet, wird ihr ganz mulmig im Bauch und muss wieder an die zwei Männer denken. Sie überlegt sich, was man so früh am Morgen nur hier draußen in der Kälte zu suchen hat, doch ihr fällt kein wirklich guter Grund ein. Immer mehr Zeit vergeht und es fängt an in Strömen zu regnen. Völlig überrascht sucht sie vergeblich in dem bunten Rucksack, den sie für Notfälle mitgenommen hat, nach einer Regenjacke. Schon bald ist ihre ganze Kleidung triefend nass. Der Boden unter ihren Füßen verwandelt sich schlagartig In eine Schlammwüste und sie versinkt tief darin. In den schäbigen Gummistiefeln haben sich schon Seen gebildet, als sie kurz stehen bleibt, um sie zu leeren. Schnell stellt Lisa fest, dass dies nicht eine ihrer besten Ideen ist. Das Gleichgewicht verlierend fällt sie auf den butterweichen Boden und verursacht eine kleine Matschwelle neben sich. „So ein Mist!", flucht sie verärgert und versucht sich wieder aufzurappeln, um Ihre Schuhe anzuziehen. Es klappt nicht. Immer wieder versinkt sie im Schlamm, wenn sie aufstehen will, doch dann kamen die zwei seltsamen Männer und befreien sie. Lisa wird von ihnen mitgenommen, allerdings nur mit Socken an den Füßen. Kraftlos will sie sich wehren, aber merkt schnell, dass es keinen Zweck hat. Weinend schaut sie auf die dunkelgrünen Stiefel und wünscht sich, sie könnte sie holen und mitnehmen. Es sind Ihre Lieblingsschuhe, da sie sie zu ihrem Geburtstag bekommen hatte, von ihrer inzwischen leider verstorbenen Oma. Eine Schande und Verschwendung, wie sie dort jetzt so alleine liegen.
Die Sonne bekommt wieder die Übermacht am Himmel und trocknet das Feld langsam. Auch die schmutzigen Schuhe trocknen, doch die noch leicht feuchte Erde klebt wie angewachsen daran. Im Laufe der Zeit wagen sich verschiedene Tiere vorsichtig, aber trotzdem neugierig an die unbekannten Objekte heran und knabbern unter anderem die Sohle an und schlecken sie ab. Es scheint, als hätte wirklich kein Lebewesen auf dieser Welt mitbekommen was hier passiert war.
Verwirrt wacht Lisa in ihrem Bett auf und ihr erster Blick fällt auf ihre Füße. Keine Gummistiefel weit und breit. Sie sucht an dem Platz, wo ihre Schuhe normalerweise stehen, doch auch dort sind sie nicht. Noch immer durcheinander von ihrem Traum, läuft sie auf das Feld, wo sie dachte, sich vor kurzem noch zu befinden. Niemand außer ihr ist dort, doch auf einmal erhascht sie einen Blick auf ihre inzwischen etwas vermoderten Gummistiefel, die aussehen als lägen sie dort schon seit ein paar Wochen. Freudig holt sie sie aus dem hohen Gras. Zwar fröhlich, dass ihre leider nicht mehr so schönen Stiefel zurück sind, irrt Lisa schockiert nach Hause und fragt sich, wie das alles passieren konnte und was es mit den Männern aus dem Traum auf sich hatte. Sie kommt zu dem Entschluss, dass es vielleicht doch nicht geträumt war und sie nur eine Gedächtnislücke hat, weil einfach ein Teil von dem Gesamtbild fehlt, aber das niemand jemals erfahren wird, wie dieses Abenteuer geschehen konnte. Aber es steht fest, dass ihre Gummistiefel keine normalen Gummistiefel sein können.